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Videospiele können Kindern helfen, Empathie und Respekt für andere zu entwickeln

Videogames can help kids develop empathy and respect for others

Viele Eltern befürchten, dass Videospiele ihre Kinder gegenüber Gewalt desensibilisieren und damit ihre emotionale Entwicklung hemmen. Es stimmt zwar, dass einige Spiele gewalttätige Komponenten enthalten, aber dieser Gedankengang trifft nicht das ganze Bild. Je nach spielspezifischen Merkmalen wie Design und Erzählweise sowie der Art, wie Kinder das Spiel deuten und nutzen können sie den Kindern sogar helfen, einfühlsamer und respektvoller gegenüber anderen zu werden.

Aber lassen Sie uns von Vorne anfangen: Warum ist es für Kinder überhaupt wichtig, Empathie zu entwickeln? Im Greater Good Science Center der UC Berkeley haben Emotionsforscher Empathie in zwei Bereiche getrennt: zum einen die Fähigkeit, die Emotionen einer anderen Person wahrzunehmen und korrekt zu identifizieren, und zum anderen die Fähigkeit, sich vorzustellen, was eine andere Person in einer bestimmten Situation denken und fühlen könnte. Diese Art von emotionaler Kompetenz ist für Kinder von großer Bedeutung, um Schritt für Schritt zu lernen, soziale Fähigkeiten zu entwickeln, gesunde Beziehungen aufrechtzuerhalten und die eigene Persönlichkeit zu verfeinern.

Studien von Daniel Batson und Nancy Eisenberg zeigten, dass Menschen mit einem hohen Maß an Empathie eher dazu bereit sind, den Bedürftigen zu helfen, auch wenn sie selbst davon nicht profitieren. Es ist auch erwiesen, dass Empathie Vorurteile, Rassismus und Ungleichheiten verringert, da man sich auch mit denjenigen zu identifizieren lernt, die nicht zu der eigenen Gruppe gehören. In einer Studie des Programms Roots of Empathy von Mary Gordon wurde festgestellt, dass Empathie Mobbing und Aggression verringert und Kinder freundlicher und integrativer gegenüber Gleichaltrigen macht.

Forscher der Universitäten Duke und Penn State verfolgten eine Gruppe von Menschen 20 Jahre lang, seit dem Kindergartenalter. Am Ende ihrer Studie kamen sie zu dem Schluss, dass Menschen, die schon im Kindergarten einfühlsame Eigenschaften wie die Bereitschaft zu teilen und anderen zu helfen entwickelten, mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Hochschulabschluss und eine Vollzeitbeschäftigung erlangten. Es besteht also ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Förderung einfühlsamer Verhaltensweisen bei Kindern und ihrem späteren materiellen Erfolg.

Jetzt, da wir festgestellt haben, dass Empathie für die Entwicklung und den Erfolg des Kindes von Bedeutung ist, stellt sich die Frage, wie sie von den Videospielen beeinflusst wird. Um mit dem einfachsten Beispiel zu beginnen, betrachten wir die Rollenspiele (die sogenannten RPGs). In diesen Spielen nimmt der Spieler die Identität eines fiktiven Charakters an. Zu Beginn muss man den Charakter erstellen und den eigenen Vorstellungen anpassen. Viele Spiele dieses Genres stellen dann den Spieler vor moralischen Entscheidungen, die sich auf den Verlauf und Ausgang des Spiels sowie auf die Identität und Verhaltensweise des Protagonisten auswirken.

Laut einer im American Journal of Clinical Hypnosis veröffentlichten Studie, in der Forscher Menschen untersuchten, die regelmäßig Science-Fiction- und Fantasy-Rollenspiele spielen, „berichteten Fantasy-Rollenspieler, dass sie ein höheres Maß an empathischer Beteiligung erleben“. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Rollenspiele verlangen von den Spielern, dass sie sich in die Lage eines anderen hineinversetzen, auch bekannt als Perspektivenübernahme. Sie müssen Handlungen durchdenken und Entscheidungen treffen, die für ihren und für die anderen Charaktere im Spiel drastische Folgen haben können. Oft haben die Spieler die Möglichkeit, nicht spielbaren Charakteren (den NPCs) zu helfen und freundlich zu sein oder sie zu ignorieren und unhöflich zu sein, wodurch der Protagonist einen heldenhaften oder bösartigen Ruf erhält. Durch diese Art von Spiel können Kinder auf sichere Weise bestimmte Verhaltensmuster und deren Konsequenzen „ausprobieren“, Fehler machen und schließlich lernen, wie sich ihre Handlungen auf andere auswirken.

Die Videospielindustrie hat sich in letzten Jahren auch verstärkt mit der Einführung von Charakteren aus marginalisierten Gruppen befasst und ermöglicht den Nutzern nun in zahlreichen Spielen, die Welt durch die Augen einer Person zu erleben, deren Hintergrund sich möglicherweise radikal von ihrem eigenen unterscheidet. Die Zahl der Spiele, in denen Protagonisten aus benachteiligten Gruppen auftreten, steigt weiterhin an und umfasst allerlei Perspektiven. Darüber hinaus ermöglicht das Online-Spielen den sofortigen Kontakt mit anderen Spielern aus der ganzen Welt, wodurch sie neue Kulturen, Weltanschauungen und Ideen kennen lernen sowie Online-Freundschaften schließen können.

Zum Thema Verbindung mit anderen Spielern haben Forscher der Universität Innsbruck in Österreich nachgewiesen, dass das kooperative Spielen von Videospielen die zwischenmenschliche Empathie gegenüber Menschen in Not erhöht. Es verringert auch die Schadenfreude. Diese letzte Schlussfolgerung steht im direkten Widerspruch zu der Annahme, dass Videospiele Kinder zu aggressiven Handlungen gegenüber anderen ermutigen. Dieselben Forscher fanden heraus, dass das Spielen von Videospielen im Kooperation-Modus die negativen Auswirkungen gewalttätiger Videospiele auf das Einfühlungsvermögen tatsächlich abschwächt. Das Spielen von Videospielen in Teams mit anderen Spielern stärkt daher eine einfühlsame Haltung der Nutzer.

Schließlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass Videospiele aufgrund der Art und Weise, wie sie gestaltet sind, einzigartige digitale Erfahrungen bieten, die ihren Nutzern helfen können, ihre Empathiefähigkeit auszubauen. Dies wurde in einem Bericht von der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur und dem Mahatma Gandhi Institute of Education for Peace and Sustainable Development aufgezeigt. Die Autoren betonten zunächst die immersive Qualität der Videospiele, denn diese versetzen die Spieler oft in ihre fiktive Welt und eine spannende Geschichte. Das ist dasselbe, was passiert, wenn wir uns in einem guten Buch oder Film verlieren und emotional in die künstliche Welt eintauchen.

Um dies zu erreichen, müssen das Gameplay und die Geschichte die emotionale Bindung des Spielers an den Protagonisten fördern. Dies kann durch eine gekönnte Erzählung und eine detailreiche Charaktererschaffung erreicht werden, durch die Möglichkeit, Beziehungen zu anderen Charakteren aufzubauen, sowie durch die Möglichkeit, häufige Entscheidungen während des Spielgeschehens zu treffen, die die erzählerische Richtung des Spiels oder den Ruf des Protagonisten beeinflussen. Dieser letzte Punkt – die Handlungsfreiheit des Spielers – ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal von Videospielen (im Gegensatz zu passiveren Unterhaltungsformen wie dem Anschauen eines Films), das die Empathie des Nutzers steigern kann. Wenn die Spieler das Gefühl haben, die Kontrolle über den Ausgang des Spiels zu haben, überlegen sie sich genauer, welche moralische Entscheidungen sie treffen und wie sie andere Charaktere behandeln. Ihre Handlungen im Spiel haben schließlich Konsequenzen, genau wie im richtigen Leben.

Offensichtlich sind einige Videospiele besser geeignet als andere, um das Einfühlungsvermögen und die emotionale Intelligenz der Spieler zu fördern. Doch im Allgemeinen sollte nicht ignoriert werden, dass Computerspiele sich als wirksames Mittel erweisen können, um Kindern beizubringen, andere zu akzeptieren und ihre Gefühle und Bedürfnisse zu berücksichtigen.